Es ist morgens um 6.00 Uhr. Auf der Medientribüne am Ufer des Lake Penrith westlich von Sydney richte ich meinen Arbeitsplatz für Radio-Kommentatoren ein. Wir zählen das Jahr 2000 und es sind die Olympischen Spiele. Gefühlte zwei Stunden dauerte der Bustransfer von Sydney in die Nähe der Blue Mountains. Aufgestanden bin ich etwa um halb Vier. So wird es die ganzen drei Wochen sein. 16 Stunden arbeiten, vier Stunden schlafen, der Rest ist Transferzeit.
Irgendwie wartet an diesen Olympischen Spielen viel Ärger auf mich. Ich fühle mich unverstanden, von Journalistenkollegen gemobbt. Aber: the show must go on. Die Vorkommnisse rund um Sydney sollten dazu führen, dass ich für Radio DRS fortan nicht mehr über den Rudersport berichten würde. Was für eine herrliche Ironie des Schicksals ist es doch, dass ich mittlerweile mit meiner kleinen Kommunikationsagentur die Medienarbeit des Schweizerischen Ruderverbands betreue. Der heutige Verbandsdirektor war damals in Sydney Olympiateilnehmer und belegte im Männerdoppelvierer den starken fünften Rang.
Zurück auf der Medientribüne im Jahr 2000 klingen plötzlich aus den Lautsprecherboxen die ersten Töne von U2 an.
«It was a beautiful day
Don’t let it get away
A beautiful day
Touch me, take me to that other place
Reach me, I know I’m not a hopeless case»
Ich lasse den Blick über die Regattastrecke schweifen und sehe das Glitzern der Sonnenstrahlen auf den Wellen. Die Welt bewegt sich für mich in Slow Motion. Es ist eine Momentaufnahme, in der ich diesen privilegierten Ort bewusst wahrnehme. Es ist mir eine Ehre hier zu stehen und für die Schweizer Zuhörer, die nachts extra den Radio eingestellt haben, die Rennen zu kommentieren. Dieses Glücksgefühl werde ich für immer festhalten.
Hier in Sydney ist es morgens so kalt, dass ich mir kurz nach meiner Ankunft eine Daunenjacke gekauft hatte. Der Himmel ist wolkenlos und blau. Es wird im Verlauf des Tages angenehm warm werden. Ich freue mich auf eine kurze Kaffeepause mit meiner Schwester nach meinem Live-Kommentar. Meine Schwester erhielt vom Vater nach ihren schriftlichen Lizentiatsprüfungen (Jus) einen Flug nach Sydney geschenkt. Sie wohnt während den Spielen bei unserer Tante Rikkie. Mit meiner Kreditkarte hatte ich ihr vorab Tickets für verschiedene Leichtathletik-Wettkämpfe besorgt.
Die Olympischen Spiele in Sydney waren für mich persönlich ein Riesenerlebnis. Voller wertvoller, schöner Erinnerungen. Sie waren aber vor allem aus beruflicher Perspektive lehrreich.
Über allem aber steht: «It’s a beautiful day, don’t let it get away!”