Klar hätte ich auch einen anderen Hit der Simple Minds als meinen Favoriten bezeichnen können. «Alive & Kicking» kann genauso mithalten wie «Up on the catwalk» oder «All the things she said». Waterfront aber erinnert mich mit seiner Sequenz zum Start des Videoclips an ein Konzert der Band im Zücher Hallenstadion. Es muss so um 1987 herum gewesen sein. Nur schon die Tramfahrt vom Zürcher Hauptbahnhof nach ZH-Örlikon war für mich Landei furchteinflössend. Gemeinsam mit Freunden, sie formten die damalige Schwyzer Band «Second Sight», pilgerten meine Schwester und ich an das Konzert dieser Kultband.
Im Trott folgten wir den Jungs durch die Menschenmenge bis in die zweite Reihe. Was folgte, war ein klaustrophobisches Erlebnis, das mich vor die Wahl stellte, ob ich lieber zerdrückt oder zertrampelt werde. Es gab kein Entrinnen. In Zeiten ohne Mobiltelefon war es wichtig, dass die Gruppe zusammenblieb. Also waren wir auf Gedeih und Verderben den Jungs ausgeliefert. Und diese dachten nicht daran, die zweite Reihe wieder zu verlassen. Mir war alles zu eng. Und wie es halt so ist an einer Waterfront, rissen uns die Wogen der wiederkehrenden Körpertsunamis in regelmässigen Abständen mit. Sauerstoff war Mangelware, die Schminke rasch mal in Rinnsalen zergangen.
Dieses Konzert ist mit ein Grund, warum ich seither grosse Menschenmengen meide. An Konzerten platziere ich mich stets seitlich und in Ausgangsnähe. Etwas Gutes hatte das Konzert von Simple Minds dennoch: Noch heute könnte ich schwören, dass Sänger Jim Kerr mir mitten im Getümmel in der zweiten Reihe direkt in die Augen geschaut hat. Ein unvergesslicher Moment für mich als Teenager.
Eine weitere Erinnerung mit der Band verbinde ich mit dem KKL Luzern. Eine Freundin und ich trafen uns vor ein paar Jahren zum Konzertbesuch der Simple Minds Acoustic Tour in Luzern. Ich hatte acoustic wohl mit unplugged verwechselt. Die Musik war laut – zu laut für meine gestressten Ohren. Kaum hatte Jim Kerr das Konzert eröffnet, startete bei mir eine singende Säge im Ohr. Bislang nicht von Tinnitus geplagt, war das nun aber fast unerträglich. Hektik brach aus. Meine Freundin fragte die Nachbarn links, ich die Besucher rechts von mir nach Ohrenstöpseln. Gefunden und geplugged, halfen diese jedoch nur wenig. So sorgten die Simple Minds dreissig Jahre später für ein weiteres traumatisches Konzerterlebnis. Nichtsdestotrotz schalte ich noch heute lauter, sobald der Zufallsgenerator meiner Playlist einen Song der Simple Minds auswirft.
«Step in, step out of the rain
I’m goin‘ to walk on up to the waterfront Said, one million years from today I’m goin‘ to step on up to the waterfront Get in, get out of the rain Come in, come out of the rain»