Disco

Air – All I need

Eines der besten ruhigen Stücke aus der Sparte Electronica. Air ist ein französisches Duo. Mit den Franzosen habe ich es sonst ja nicht so, ämel musikalisch. Die wunderschöne Stimme der amerikanischen Sängerin Beth Hirsch trägt aber die Synthesizer wie ein Samtteppich durch das Stück.

All I need ist aus meiner Sicht das beste Stück des Albums «Moon Safari», dem Debüt-Album aus dem Jahr 1998. Und wenn ich so den Jahrgang dieses Albums anschaue, weiss ich, dass mich dieses Stück in dieser Zeit durch manche nachdenkliche Phase begleitete. Relativ früh war für mich klar: Dieses Lied soll dereinst an meiner Beerdigung laufen.

All in all there’s something to give
All in all there’s something to do
All in all there’s something to live

Don Henley – Boys of Summer

Was für eine Hymne an die Jugend! Auch an meine. Es ist Sommer 1983, ich bin 14 und sitze vor dem TV. Heute würde man dies wohl «Binge-Watching» nennen. Ich bin süchtig nach Sky Channel und MTV, wo ich die Musikvideos verschlinge. Es ist auch die Zeit, in der mein Drang wächst, Englisch zu verstehen und reden zu können. Und zwar richtig gut. Ich sitze stets mit dem Dictionary in der Hand bereit, um jede Liedzeile meiner Lieblingssongs zu übersetzen.

Und dann läuft dieses Video zu diesem Song. Einfach nur fantastisch. Schwarzweiss. Die am Zaun hochspringenden jungen Männer mit den gestählten Bodies. Das Paar, das am Strand entlangläuft, sich küsst. Der Bub, der Schlagzeug spielt. Das Kreischen der Möwen. Und dann, nach 3:05 der entscheidende Text:

Out on the road today
I saw a deadhead sticker on a cadillac
A little voice inside my head said:
„Don’t look back, you can never look back“

I thought I knew what love was
What did I know?

Das Video ist sowas von «Dark». Ich kann heute noch jede Zeile mitsingen. Natürlich hatte ich damals als Vierzehnjährige keine Ahnung, dass es sich bei Don Henley um den Sänger der Eagles handelte. Diese Verbindung machte ich erst später. Viel wichtiger war mir, dass Don Henley am selben Tag Geburtstag hat wie ich. Das ist doch eine Zeichen, oder? ? Na gut. Zugegeben, auch Mireille Mathieu und Otto Waalkes haben am 22. Juli Geburtstag.

Hier das Originalvideo:

Und hier noch der etwas ältere Don Henley, live:

Tracy Chapman – Fast Car

Für immer gehört dieses Lied zum Todestag meiner Mutter. Schon vorher war der Song für mich mit einem besonderen Event verbunden, nämlich mit dem Live-Aid-Konzert in London (1985), als die junge, burschikose Sängerin bei diesem Mega-Konzert-Event zugunsten von Hungernden in Afrika auf einen Schlag weltbekannt wurde.

Die Bedeutung des Songs sollte sich aber am 29. Dezember 2017 komplett ändern, als ich um 3.30 Uhr ins Auto stieg und zur letzten Wache am Spitalbett meiner Mutter aufbrach. Ausgerechnet «Fast Car» lief im Auto. Ich wusste genau, was an diesem Tag passieren würde. Es war surreal. Im Lied geht es um eine junge Frau, die mit ihrem Freund in ein neues Leben flieht. Dort angekommen, entwickelt sich ihr Freund als derselbe Trinker und Tunichtsgut wie ihr Vater, den sie mit dem Umzug in die Suburbs einer Grossstadt hinter sich gelassen dachte.

Es hat eine ironische Note, dass meine Mutter meiner Meinung nach auch immer hat fliehen wollen. Zum Beispiel vor der Normalität und der Engstirnigkeit ihres Heimatdorfes. Umso mehr genoss sie ihre Sommeraufenthalte als Au-Pair in England, nachdem sie jeweils den Winter hindurch an den elterlichen Skiliften gearbeitet hatte. Am Skilift lernte sie meinen Vater kennen, einen gut aussehenden, gross gewachsenen Holländer. Die Heirat mit ihm, sie war im Endeffekt auch eine Art Flucht in etwas Exotischeres als die pure Normalität. Am 29.12.2017, um die Mittagszeit, starb meine Mutter. Für mich blieb die Welt ein Moment lang stehen.

You got a fast car
I want a ticket to anywhere
Maybe we make a deal
Maybe together we can get somewhere
Anyplace is better
Starting from zero got nothing to lose
Maybe we’ll make something
Me, myself I got nothing to prove

U2 – Beautiful Day

Es ist morgens um 6.00 Uhr. Auf der Medientribüne am Ufer des Lake Penrith westlich von Sydney richte ich meinen Arbeitsplatz für Radio-Kommentatoren ein. Wir zählen das Jahr 2000 und es sind die Olympischen Spiele. Gefühlte zwei Stunden dauerte der Bustransfer von Sydney in die Nähe der Blue Mountains. Aufgestanden bin ich etwa um halb Vier. So wird es die ganzen drei Wochen sein. 16 Stunden arbeiten, vier Stunden schlafen, der Rest ist Transferzeit.

Irgendwie wartet an diesen Olympischen Spielen viel Ärger auf mich. Ich fühle mich unverstanden, von Journalistenkollegen gemobbt. Aber: the show must go on. Die Vorkommnisse rund um Sydney sollten dazu führen, dass ich für Radio DRS fortan nicht mehr über den Rudersport berichten würde. Was für eine herrliche Ironie des Schicksals ist es doch, dass ich mittlerweile mit meiner kleinen Kommunikationsagentur die Medienarbeit des Schweizerischen Ruderverbands betreue. Der heutige Verbandsdirektor war damals in Sydney Olympiateilnehmer und belegte im Männerdoppelvierer den starken fünften Rang.

Zurück auf der Medientribüne im Jahr 2000 klingen plötzlich aus den Lautsprecherboxen die ersten Töne von U2 an.

«It was a beautiful day

Don’t let it get away

A beautiful day

Touch me, take me to that other place

Reach me, I know I’m not a hopeless case»

Ich lasse den Blick über die Regattastrecke schweifen und sehe das Glitzern der Sonnenstrahlen auf den Wellen. Die Welt bewegt sich für mich in Slow Motion. Es ist eine Momentaufnahme, in der ich diesen privilegierten Ort bewusst wahrnehme. Es ist mir eine Ehre hier zu stehen und für die Schweizer Zuhörer, die nachts extra den Radio eingestellt haben, die Rennen zu kommentieren. Dieses Glücksgefühl werde ich für immer festhalten.

Hier in Sydney ist es morgens so kalt, dass ich mir kurz nach meiner Ankunft eine Daunenjacke gekauft hatte. Der Himmel ist wolkenlos und blau. Es wird im Verlauf des Tages angenehm warm werden. Ich freue mich auf eine kurze Kaffeepause mit meiner Schwester nach meinem Live-Kommentar. Meine Schwester erhielt vom Vater nach ihren schriftlichen Lizentiatsprüfungen (Jus) einen Flug nach Sydney geschenkt. Sie wohnt während den Spielen bei unserer Tante Rikkie. Mit meiner Kreditkarte hatte ich ihr vorab Tickets für verschiedene Leichtathletik-Wettkämpfe besorgt.

Die Olympischen Spiele in Sydney waren für mich persönlich ein Riesenerlebnis. Voller wertvoller, schöner Erinnerungen. Sie waren aber vor allem aus beruflicher Perspektive lehrreich.

Über allem aber steht: «It’s a beautiful day, don’t let it get away!”

R.E.M. – Losing my Religion

Dieser Hit von REM bringt mich zurück nach Engelberg im Winter 1991 / 1992. Es muss die «Spindle» Disco gewesen sein, wo ich mit meinem damaligen Freund M.S. dazu tanzte. Diese Momentaufnahme ist eine der wenigen guten Erinnerungen an diesen Mann. Müsste man ihn mit einem (damals) gängigen Star vergleichen, wäre ihm wohl eine gewisse Ähnlichkeit mit Kurt Russell nicht ganz abzusprechen gewesen. Eine aktuelle Google-Recherche ? brachte indessen zutage, dass er heute eher Gölä gleicht. Time flies.

«That’s me in the corner

That’s me in the spotlight

Losing my religion

Trying to keep up with you

And I don’t know if I can do it»

Kennengelernt hatten wir uns im Frühling in einer anderen Disco. In der «Burgfluh», zwischen Brunnen und Gersau. Er traf sich dort mit ehemaligen Militärkollegen. Wir tauschten Telefonnummern aus. Nix da Mobiltelefon damals. Wir verabredeten uns für ein Openair-Konzert in Basel, im alten Joggelistadion. ZZTop mit Bryan Adams im Vorprogramm. Wir trafen uns in Stans, wo er damals wohnte (und es heute noch tut). Meine Erinnerung an dieses Konzert: ZZTop liessen im Verlauf des Konzerts rund 20 Frauen im Badeanzug auf der Bühne herumdefilieren, die dann mit dem Rücken gegen das Publikum lasziv ihre Pobacken hin- und herschwenken durften. Läck, in Zeiten von #metoo heute undenkbar. Damals johlten über 30’000 Zuschauer, die gerne auch so lange Bärte wie ZZTop gehabt hätten. «Every girl’s crazy about a sharp dressed man», my ass…! Im Rahmen dieses Konzerts erfuhr ich, dass er liiert war. What a charmer, nicht wahr?!

Dann hörte ich einfach nichts mehr. Nada. Ghosting würde man dem wohl heute sagen. Ich hakte den Typen ab. Gut so. Im Oktober dann etwa erhielt ich plötzlich einen Brief. Ja, Briefe gab es anfangs der Neunzigerjahre noch. Er erklärte, dass kurz nach unserem Treffen sein Vater beim Rennvelofahren tödlich verunglückt war und er sich seither komplett neben der Spur befunden hatte. Er habe nun mit seiner Freundin Schluss gemacht. Ok, everybody gets a second chance.

Ein Erinnerungsfetzen hat sich bei mir eingebrannt. Keine Ahnung, wie damals meine Figur war. Ich war damals Leistungssportlerin, hatte im Sommer den Schweizer Meistertitel im Rudern im Frauendoppelvierer geholt. Entsprechend war ich wohl gewichtsmässig keine Elfe, aber immerhin athletisch gebaut. Als ich bei einem Essen auswärts zur Dessertkarte griff, nahm er sie mir mit den Worten «ich muess jetzt ächli uf dich luege» aus den Händen. Das war wohl der erste Sargnagel unserer Beziehung, die kurz bleiben sollte. Ich brauche definitiv niemanden an meiner Seite, der meine Nahrung rationiert.

Der Höhepunkt war dann aber immerhin ein richtig Wuchtiger: Ich erwischte ihn an einer Fasnachtsparty beim Knutschen mit seiner Ex-Freundin. Aus, fertig, Schluss M.S.. Seither meide ich die Fasnacht wie der Teufel das Weihwasser. Lost my religion.